Ahnenforschung: Die Tobolka aus Mähren

Ahnenforschung leicht gemacht │Tobolka in Mähren Teil 1

alte Schreibmaschine

Bedeutung des Namens

Aus dem Tschechischen gibt zwei Übersetzungen für Tobolka: Kapsel, Kapselhülle, Fruchtkapsel bzw. Geldbörse, Geldtasche, Brieftasche.

Nach dem Wörterbuch zur hochdeutschen Mundart von Johann Christoph Adelung aus dem späten 18. Jahrhundert bedeutet Tobolka im Böhmischen nur Tasche und hat mit der Fischerei zu tun.

Geographische Verortung

Die Tobolka in Mähren stammen aus der Mikroregion Jemnice in der Pfarre Kdousov (Gdosau). Dazu gehören ua. die Orte  Kostníky (Gössling) und Radotice (Radotitz). In Kostníky findet sich im Jahr 1634 die Taufe eines Elias Tobolka mit den Eltern Wenzel und Margarethe.

Danach schweigen die Matriken für eine Generation. Der Grund mag in den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges liegen, oder in der einsetzenden Gegenreformation. Vielleicht zog die Familie auch um.

Kostníky

Erst 1668 tauchen wieder Tobolka auf. Diesmal sind es zwei Familien, von denen eine aus den Matriken in der zweiten Generation verschwindet (1704), die andere noch eine fortbesteht (bis 1773). Begründet haben sie ein Georg (+1675) sowie ein Simon.

Im Jahr 1747 tritt eine dritte Familie aus Kostníky ins Rampenlicht. Leider wird beim Trauungseintrag von Franz nicht dessen Vater genannt, bloß die Herkunft – eben Kostníky. Auch ein Taufeintrag findet sich nicht. Es ist aber anzunehmen, dass er von den älteren Tobolka aus Kostníky abstammt.

Ein Hinweis darauf liefert der Umstand, dass seine Enkel im selben Haus geboren worden sind, in dem der letzte männliche Vertreter der älteren Tobolka (Anton 1707-1773) gestorben ist – allerdings nicht in Kostníky, sondern in Radotice 10.

Es gibt noch einen zweiten Hinweis, und zwar über Franz’ Sohn Josef. Dieser heiratet 1775 Marianna Puchner, die Tochter von Josef Puchner und Anna Tobolka. Leider fehlt bei Josef’s und Anna’s Heiratseintrag ebenfalls die Nennung der Eltern – ein Phänomen, das bei fast allen Einträgen dieser Zeit auftritt. Zumindest wird ihr Herkunftsort genannt: Radotice.

Allerdings stammt aus dem Ort keine Anna, die als Marianna’s Mutter in Frage käme. Dafür findet sich in Backovice (aus der Nachbarpfarre Desna) eine Anna. Und deren Vater Mathias stammt aus Radotice.

Demnach wäre es möglich, dass Anna als Magd (im Rahmen des Gesindedienstes) ins väterliche Geburtsdorf gezogen ist – vielleicht zu sogar zu Verwandten. Da Josef’s  Kinder über beide Elternteilen von Tobolka abstammen, und es zwei Familien in jeweils einem anderen Dorf gab, muss eine Linie zu den Tobolka aus Radotice gehören, die anderen zu denen aus Kostníky.

Zurück zu Franz. Anton scheidet als Vater aus. Und dessen Vater Veith (1685-1752)? Er heiratete zweimal.

Von der ersten Ehefrau ist nur der Vorname bekannt: Magdalena. Mit ihr hatte er zumindest drei Kinder, wobei zwischen den beiden Töchtern Marianne (*1708) und Barbara (*1713) fünf Jahre liegen. Die Geburt von Franz würde in diesen Zeitraum passen. Genauso könnte es aber eine Tot- oder Fehlgeburt gegeben haben oder auch keine.

Einen noch längeren Zeitraum ohne Geburten gab es bei der zweiten Ehefrau Anna (geb. Kuhtreiber) zwischen 1718 und 1727 – gehehelicht hat Veith sie 1716.

Für Magdalena als Mutter spricht, dass zuweilen das erste Kind im Elternhaus der Mutter zur Welt kam. Lag dies in einem Dorf einer anderen Pfarre, findet sich dort auch der Taufeintrag des Kindes. Dies könnte der Grund sein, warum der Taufeintrag von Franz nicht in den Matriken von Kdousov aufgeführt ist.

Leider sind nicht alle Matriken aus den Nachbarpfarren erhaltengeblieben – manche beginnen erst um 1750.

Stammt Franz aus der ersten Ehe? Wie alt könnte er gewesen sein? Fällt seine Geburt in den Zeitraum 1709-1712, wäre er bei seiner Trauung 35 bis 38 Jahre alt gewesen. Das durchschnittliche Alter bei der Erstheirat lag in dieser Zeit im Bereich 25 bis 30 Jahre, was wiederum auf Anna als Mutter hinweisen würde.

Gegen sie spricht, dass sie aus Kostníky stammte, womit der Taufeintrag in der Matriken von Kdosuov vorhanden sein müsste – es sei denn, der Pfarrer hat ihn vergessen. Die Frage nach der Mutter bleibt also offen.

Auch wenn die Indizien stark für Veith als Vater von Franz sprechen, so ist die Filiation doch bloß eine Vermutung. Klärung brächte hier nur weitere Forschungen in den Archiven Tschechiens.

Franz hatte drei Enkelsöhne: Johann, Franz und Andreas. Den Jüngsten, Andreas, zog es nach Lysovice (Lissowitz) in die Wischauer Sprachinsel, wo er als Dorflehrer arbeitete. Von seinen beiden Enkelsöhnen blieb Johann in der Gegend – es gibt bis heute Nachfahren –, Franz, der andere, zog weiter nach Želechovice nad Dřevnicí (Schelechowitz an der Drewnitz) bei Zlin. Nach einem Zwischenstopp seines Sohnes Josef in Wien – hier wurde ihm 1882 eine Tochter geboren – zog dessen Sohn Franz endgültig in Österreichs Hauptstadt – spätestens im Jahr 1900 mit der Geburt von Johann Franz.

Aber auch Nachfahren von Andreas zweitem Bruder Franz zogen um 1900 nach Wien.

Radotice

Das Dorf Radotice liegt ein Stück westlich von Kostníky, dazwischen findet sich noch der Ort Jiratice (Jiratitz). Zumindest seit 1669 residierten dort bereits Tobolka – die Nachkommen eines Georg, der seinerseits entweder ein Sohn jenes Wenzels war, der 1634 als Vater des Elias genannt wird, oder der Sohn des Georgs, der eine der älteren Linien in Kostníky begründet hat.

1711 heiratet in der Nachbarpfarre Desna (Döschen) Georgs Sohn Mathias. Mit der Generation der Enkel verschwindet dieser Teil der Tobolka aus Backovice – ein Sohn von Mathias zieht nach Kostníky, seine Tochter Anna heratet womöglich in Radotice Josef Puchner (siehe oben).

1849 heiratet dafür ein Andreas nach Backovice, und 1866 ein Josef.

Erwähnenswert ist auch Johann Paul Sr Tobolka, ein Nachfahre von Mathias’ Bruder Georg. Er emigriert 1870 mit seiner Frau Eva (geb. Chwatal) und vier Kindern in die USA nach East Bernard/Texas, wo John Jr geboren wurde.

Herkunft

Interessant am Trauungseintrag von 1711 in Desna ist, dass nicht Tobolka als Name verzeichnet ist, sondern Dowolgo – Tobolka hat später jemand mit Bleistift darübergeschrieben. In den folgenden Matrikeneinträgen bis 1750 ändert sich der Name schrittweise von Dowolgo zu Tobolka. Auch beim Namen des Ortes, in dem Mathias mit seiner Familie lebte, kam es zu einer Lautverschiebung: Aus Wakowitz wurde Backowitz (tsch. Backovice). In der Pfarre Kdousov hingegen änderte sich die Schreibweise nie.

Warum der Pfarrer oder sein Gehilfe Dowolgo als Namen des Bräutigams eingetragen hat, vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht hat er ihn bloß so verstanden. Oder es gibt tatsächlich eine Verbindung zum polnischen Dowolgo-Clan und zur Wappengemeinschaft Nałęcz.

Die Frage bleibt leider offen.

Es gibt auch Tobolka in Böhmen – sogar ein Dorf mit dem Namen. Wie oder ob diese mit den Mährern verwandt sind, ist unklar – auch ob es Tobolka aus Böhmen nach Mähren zog.

Es ist aber möglich, dass einer der Dowolgo in Polen nach Böhmen zog und dass der Wenzel von 1634 einer dessen Nachkommen ist, auch wenn der Clan einen erheblichen sozialen Abstieg hätte hinnehmen müssen – vom Adelsstand in den Bauern-/Unfreienstand –, was im späten Mittelalter/Frühen Neuzeit jedoch nicht ungewöhnlich war, denn der soziale Abstieg einer Dynastie vollzog sich leichter und schneller als ein Aufstieg.

Wie auch immer, letztendlich sind diese Überlegungen bloße Spekulation, wenn auch eine sehr reizvolle.

Verbreitung

Soweit ich es zu beurteilen vermag, stammen von den beiden Familien aus Radotice und Kostníky viele, vielleicht sogar alle, Tobolka in Mähren ab. Mit der Aufhebung der Grundherrschaft Mitte des 19. Jahrhunderts verbreiteten sie sich über die Mikroregion Jemnice hinaus und trafen auf ihre Namensvettern aus Böhmen.

Am häufigsten kommt der Name heute in Tschechien vor, aber auch in den USA, Großbritannien und Österreich finden sich viele, zum Teil auch in alternativen Schreibweisen wie zB. Topolka.





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